Romances Marroquíes – An marokkanische Söldner gerichtete Broschüre der Spanischen Republik 1937

Valencia, 1937. 8°, OBr mit OU, 50 S. Umschlag mit nur kleinen Randbeschädigungen, die Schutzblätter vom Kopfschntt her teils etwas fleckig, ansonsten sehr gut erhalten. (EUR 100,-)

Zu den wirklich erstaunlichen Funden meiner Arbeit gehört ein dünnes Heft aus dem Jahr 1937, veröffentlicht von einem Secretario de Propaganda A. A. Hispano Marroquí, in Valencia, also vor dem Hintergrund des Spanischen Bürgerkriegs, und zwar von Seiten der Republik. Es enthält Gedichte, die einerseits das soziale Elend in Spanisch-Marokko zum Gegenstand haben, zum anderen solche, die den Einsatz marokkanischer Söldner auf Seiten der Putschisten um Franco thematisieren und sich auch direkt an diese richten. Sie, die Söldner, sollten sich nicht von den Faschisten instrumentalisieren lassen und vielmehr zu Hause gegen das Elend und für die Freiheit kämpfen. Neben den Gedichten enthält der Band zehn ganzseitige Reproduktionen von Zeichungen von Crestar – der uns aus der CNT-FAI-Frontzeitung „El Parapeto“ bekannt ist-, jeweils durch ein transparentes Blatt geschützt, also relativ aufwendig produziert. Das „A.A.“ im Namen der herausgebenden Gruppe steht laut WorldCat für „Agrupación Antifascista“, weitere Publikationen sind aber dort nicht nachgewiesen, jedoch handelt es sich bei unserem Exemplar laut Umschlag um eine 2. Auflage.

Es darf nun bezweifelt werden, dass die Broschüre nennenswerte Effekte auf die angesprochenen Söldner erzielen konnte, schon allein deswegen, weil sie kaum ihren Weg in deren Hände gefunden haben dürfte. Dennoch handelt es sich aus meiner Sicht um ein herausragendes Zeitdokument, insofern hier der Versuch gemacht wurde, eine differenzierte Sicht auf den sozialen Hintergrund eben dieser Söldner anzubieten und damit der damals grassierenden Dämonisierung der „Moros“ entgegenzuwirken. Denn der Hintergrund war nun dieser: Spanien, das schon im 19.Jahrhundert in Nordafrika als Kolonialmacht aktiv war und dort Eroberungs- und Unterdrückungskriege führte, hatte 1911 in Marokko eine Truppe aus Einheimischen aufstellen lassen, die Fuerzas Regulares Indigenas, kurz Regulares. Diese kamen auch im Rifkrieg von 1921 bis 1926 zum Einsatz und später, während der 2. Spanischen Republik, bei der Niederschlagung des Bergarbeiter-Aufstands von Asturias (1934). Im Spanischen Bürgerkrieg spielten die Regulares vor allem zu Beginn eine wichtige Rolle, beim Staatsstreich der Generäle um Sanjurjo, Mola, Franco und Queipo de Llano. Der Einsatz der „Moros“ (Mauren) genannten Söldner hat schon damals große Aufmerksamkeit gefunden, denn einerseits mutete es vielen Beobachtern bizarr an, dass ausgerechnet sich als allerchristlichst gerierende Generäle das teure Abendland mit Hilfe von Muslimen verteidigen / erobern wollten, gerade den Nachfahren jener „Moros“, die ein paar Jahrhunderte zuvor von den Christen aus Spanien vertrieben wurden, worauf sich ein gewisser Glaube an die Überlegenheit und Auserwähltheit des Spanischen Volkes gründete, das dann sogar zur „Raza“ (Rasse) wurde und angeblich das Zentrum einer weltumspannenden Gemeinschaft der „Hispanidad“. Und dieses ambitionierte Programm stützte sich auf ein paar gekaufte Marokkaner? Dieser Zusammenhang ist dann auch durch die repubikanische Propaganda ausgeschlachtet worden, und auch im sympathisierenden Ausland wurde so argumentiert. So gibt es etwa eine in der AIZ / Volks-Illustrierte erschienene Fotomontage von John Heartfield, die Franco zeigt, wie er im Dschungel nach Rekruten für die Eroberung von Madrid sucht (Jg. I, Nr. 2 vom 26.August 1936). Und oben im Baum hockt der anscheinend unvermeidliche Affe. Die Bildunterschrift verdeutlich , worum es geht: Franco sei ein Völkischer ohne Volk, soweit klar, aber der Affe als Bild für die Marokkaner…

Zum anderen finden sich etliche Darstellungen, nach denen die „Moros“ für ihre besondere Grausamkeit gefürchtet waren. Die Angst war sicher ein historisches Faktum, ob auch der Gegenstand der Angst, mögen die Fachhistoriker klären. In die – zeitgenössischen wie restrospektiven – Darstellungen jedenfalls scheinen auch gewisse Ressentiments eingeflossen zu sein, etwa bei Gustav Reglers „Das große Beispiel“ oder in Eduard Claudius: „Grüne Oliven und nackte Berge“, und das sind nur die naheliegendsten Beispiele. Und dagegen steht dieses Heftchen hier, dass nun keineswegs die tatsächlichen Täter entschuldigt, sondern sie für die richtige Seite zu gewinnen versucht, die keine Ressentiments reproduziert, sondern auf Hintergründe und Handlungsspielräume verweist.

HS

Nachtrag: Es wäre interessant zu wissen, in wie weit sich die neuere (postkolonialistische) Forschung diesem Thema bereits angenommen hat. Nach einem Hinweis von R. (vielen Dank!) sei hier schonmal auf zweiArbeiten verwiesen: Islam y guerra civil española : moros con Franco y con la república, Sánchez Ruano, Francisco. Madrid : La Esfera de los Libros, 2004, und Abdelmajid Benjelloun: la participation de los mercenarios marroquies en la guerra civil espanola. In: Revista internacional sociologica. jg. 1988, Ser 2, H4., S. 527-542.

Gern wüßten wir auch mehr über die herausgebende Agrupación, und ob es tatsächlich einen Bezug zur anarchistischen Bewegung gab.

Klappentext

Signet auf dem Rückdeckel

Illustrationen von Crestar