AG Mauerstein. DDR-Punk 1987. Plakat

AG Mauerstein / Igor Tatschke: Mauerstein-Paintings – Prints – Records. Ausstellungsplakat der Wohnungsgalerie Jörg Deloch, Juni (1987)

Igor Tatschke gehörte der DDR-Punk- / Post-Punk-Szene an und arbeitete u.a. mit großflächigen Graffitis / Wandbemalungen. Die Ausstellung wurde infolge behördlichen Einspruchs / Strafverfügung abgebaut, konnte danach aber in der „Umwelt-Bibliothek“ gezeigt werden.

Eine eindrückliche Schilderung von der Ausstellung in der UB gibt es von Dietmar Wolf, Mitbegründer und bis heute Redaktionsmitglied der Zeitschrift „telegraph“, die aus den „Umweltblättern“ hervorgegangen war:

„AG-Mauerstein und Igor Tatschke

Meine erste Begegnung mit der Umwelt-Bibliothek Berlin war im Frühjahr 1987 die Eröffnung der UB-Galerie. Diese sollte ein Ort sein, in dem Künstler ausstellen können, die in den staatlichen Galerien keine Möglichkeit dazu bekommen. Außerdem gab es ein kleines Café. Einer der wichtigsten Ausstellungen war ohne Zweifel die Punk-Art-Ausstellung der AG-Mauerstein mit Igor Tatschke. Vorher gab es eine AG Mauerstein-Ausstellung in der Privatgalerie von Jörg Deloch. Diese Ausstellung rief derart großes Interesse hervor, dass sie von der Polizei geschlossen wurde. Nachdem der Betreiber für den Fall der Weiterführung mit einer hohen Geldstrafe bedroht wurde, zog die Ausstellung in die UB-Galerie um. Bei der Wiedereröffnung in der UB-Galerie kam es zu „tumultartigen Szenen“. Ich erinnere mich gut an diesen Abend. Im Frühjahr 1987 war ich 21 Jahre alt. Ein knappes Jahr zuvor hatte ich meine 18 Monate NVA abgerissen. Meine Freundin hatte mit mir Schluss gemacht, ich arbeitete im Schichtdienst, war komplett unpolitisch, desorientiert und interessierte mich eigentlich nur für Mädchen, Disco und Saufen. Ich wusste zwar, dass es eine so genannte Oppositionsszene gab, in der sich meine Eltern sehr intensiv bewegten. Doch für mich war das eigentlich nichts. Alle Versuche meines Vaters, mich dafür zu interessieren, schlugen bis dahin fehl. Ein guter Freund fragte mich, ob ich Lust hätte, zu einer Super-Fete mitzukommen. Allerdings wäre die in einer Kirche. Nach anfänglichen Bedenken willigte ich ein und wir gingen in die Gribenowstraße zur Zionskirch-Gemeinde. Schon auf der Straße vor dem Gemeindehaus und im Innenhof herrschte reger Betrieb. Überall standen Punks, Gruftis und langhaarige Typen herum. Aus der obersten Etage des Hinterhofs dröhnte Musik. Wir gingen hoch. Ab der 2. Etage war kaum ein Durchkommen. Man musste sich an und über Körper vorbei drängeln. Oben angekommen war es noch schlimmer. Auch hier Punks, Gruftis und Langhaarige wohin man sah. Ein Anblick, der für mich völlig neu war. Die Musik dröhnte ohrenbetäubend. Die Luft war zum schneiden. Es stank nach Tabak, Alkohol und Schweiß. Meinen Freund hatte ich schon nach kurzer Zeit aus dem Auge verloren und sollte ihn an diesem Abend auch nicht wieder sehen. Ich war erschüttert und gleichzeitig fasziniert. Die Ausstellung, oder besser das, was ich auf Grund des Platzmangels sehen konnte, ist in meiner Erinnerung nur mit Worten wie „extrem“, „krass“ oder „bizarr“ zu benennen. Ein wildes Durcheinander in schwarz-weiß. Dunkelste Comic-Art, vermengt mit Wortfetzen von scheinbar sinnlos bis obszön begleitet. Nach etwa einer Stunde war ich so geplättet, dass ich den Ort verlassen musste und völlig verstört nach Hause ging. Ein halbes Jahr später war ich dann selbst Mitglied der DDR Opposition und für die nächsten Jahre der Gang zur UB fast alltäglich.“

Auszug aus einem längeren Text über die Umwelt-Bibliothek, hier wiedergegeben mit freundlicher Genehmigung des Autors. Vollstängig und mit ein paar Fotos illustriert unter

http://umwelt-bibliothek.de/umwelt-bibliothek.html

Weitere Informationen zu Igor Tatschke finden sich u.a. auf der homepage der „Staatsgalerie Prenzlauer Berg“ von Henryk Gericke:

http://www.staatsgalerie-prenzlauerberg.de/?inhalt=archiv&id=59

 

Plakat im Format 27,5 x 21 cm. Siebdruck. Etwas knickspurig, teils mit Farbspuren. (verkauft)